Flury
Furrer
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Ein instandgesetztes historisches Badhaus mit Schwimmbecken und eine Atelierhalle aus Re-Use-Bauteilen bilden zusammen ein neues Ensemble auf dem Areal des Sitterwerks in St.Gallen. Damit wird die Transformation des ehemaligen Industrieareals in einen lebendigen Ort der kulturellen Produktion mit den Institutionen von Kunstgiesserei, Stiftung Sitterwerk und Kesselhaus Josephsohn fortgeschrieben. Die eingeladenen Kunstschaffenden erhalten eine neue Wirkungsstätte, die auf dem Areal arbeitenden Menschen einen neuen Treffpunkt. Die Architekten Flury + Furrer sind der Kunstgiesserei als Mitarbeiter und Planer seit über 20 Jahren eng verbunden. Badhaus und Atelierhalle folgen denselben Prinzipien, die auch ihre früheren Umbauten auf dem Areal auszeichnen: die behutsame Fortschreibung des Orts, die Weiterverwendung von Materialien und Strukturen, ein ortsbezogener und kollektiver Bauprozess sowie der Anspruch auf eine schlichte, aber handwerklich und gestalterisch überzeugende Architektur.

 

Die Kunstgiesserei St.Gallen fungierte nicht nur als Bauherrin des neuen Ensembles. Aus den Reihen ihrer Mitarbeiter und den Architekten formte sich auch die Bauhütte, bei der die Architekten auf der Baustelle planen und handwerklich mitarbeiten. Das Handwerk vor Ort und die gemeinsame Lösungsfindung prägt die Architektur. Mit dem Einbezug von Denkmalpflege und Hochschulen erhielt das Projekt gleichzeitig einen öffentlichen Charakter.

 

Das Ensemble erfüllt mehrere Bedürfnisse: Das Badhaus mit Schwimmbecken schafft einen neuen Treffpunkt und ein Freizeitangebot für die zahlreichen Menschen, die im Sittertal tätig sind. Die Atelierhalle dient den eingeladenen Kunstschaffenden der Stiftung Sitterwerk als Arbeits-, Wohn- und Ausstellungsort. Einfach adaptierbar und nutzungsoffen, kann sie in Zukunft auch anders genutzt werden.

 

Badhaus und Atelierhalle folgen den Prinzipien von Erhalt, Re-Use und ressourcensparendem Bauen. Während die historische Substanz des Badhauses sorgfältig restauriert und wieder nutzbar gemacht wurde, setzt sich die Atelierhalle zu grossen Teilen aus wiederverwendeten Bauteilen zusammen. Die einfache Konstruktion und ökologische Materialien erlauben eine einfache Demontage und Weiterverwendung.

 

Das Projekt basiert wie alle Bauprojekte für Sitterwerk und Kunstgiesserei auf wirtschaftlicher Eigenverantwortung und Eigenaufsicht. Es zeigt beispielhaft die Ökonomie des Bauhütten-Prinzips, das handwerkliches Wissen mit kurzen Wegen und effizienter Entscheidungsfindung vor Ort kombiniert. Mit sparsamer Architektur gelingt eine langfristige Investition in den Ort und seine kulturelle Nutzung.

 

Die Kombination von öffentlich nutzbarem Badhaus mit Schwimmbecken und kulturell genutzter Atelierhalle trägt zur Vielfältigkeit und Offenheit des Ortes bei. Das Ensemble schafft ein inspirierendes Nebeneinander von Kunst und Leben, von sportlicher Erfrischung und sozialem und kulturellem Austausch. Damit wird auch der Gemeinsinn der verschiedenen Nutzergruppen auf dem Areal gefördert.

 

Das Ensemble schreibt das charakteristische Konglomerat von Alt und Neu im Sittertal fort. Gegenüber den grossen Industriehallen gelegen, orientiert sich die Atelierhalle am kleineren Massstab von Fabrikantenvilla und Badhaus. Viele Re-Use-Bauteile stammen aus dem unmittelbaren oder regionalen Kontext, so z.B. die Dämmung aus einer Werkhalle auf dem Areal, das Tor aus einer OLMA-Halle und die Brettschichtträger und die Treppenanlage aus einem der abgerissenen Huber-Pavillons der ETH Zürich.

 

Mit dem restaurierten Badhaus wird die Geschichte des Ortes – insbesondere die Sitter als Energiequelle für die frühe Industrie – neu erlebbar gemacht. Die Atelierhalle schreibt sich mit ihrer pragmatischen Architektur in den Genius Loci ein. Die Verkleidung aus Fural Aluminiumbänder verweist auf typische Hallenfassaden der Industrie, aber auch auf die Schindelverkleidung des Badhauses.

 

Handwerkliche Präzision und eine durchdachte Konstruktion, ausgewogene Proportionen und angemessene Materialien führen zu einer Ästhetik, die trotz der Heterogenität der wiederverwendeten Bauteile Klarheit und Ruhe ausstrahlt.

 

Text Marcel Bächtiger

Fotos Katalin Deér